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Woher kommt ortsunabhängiges Arbeiten? Alles nur ein Trend?

Die Arbeitswelt ist im Wandel. Die Digitalisierung hat vieles auf den Kopf gestellt und nichts ist mehr, wie es einmal war. Technologien schreiten mit großen Schritten voran: Maschinen ersetzen Menschen. Arbeitsplätze fallen weg. Unternehmen und Mitarbeiter müssen sich neu erfinden und der Kunde wird vom König zum Dienstleister. Willkommen in der Arbeitswelt 4.0, der vierten industriellen Revolution. Nur dass sie diesmal mehr als nur den Industriesektor umfasst. In der vierten industriellen Revolution geht es um die GESAMTE Arbeitswelt.

Ortsunabhängiges Arbeiten

Ein zentrales Element der modernen Arbeitswelt von heute ist die Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten: Weg von ortsgebundener Büroarbeit hin zu selbstbestimmter ortsunabhängiger Arbeit. Sei es im Home-Office, im Café oder im Coworking Space, ganz egal. 

The 4-Hour Workweek

Einem breiteren Publikum erschloss sich das Konzept ortsunabhängiges Arbeiten erst durch das Buch The 4-Hour Workweek von Tim Ferriss, das im Original im Jahr 2007 veröffentlicht wurde. Darin beschreibt Ferriss, wie er seine Arbeitszeit drastisch reduziert und sich sogenannte „Mini Ruhestände“ in Form längerer Auslandsreisen gönnt. Er beschreibt sehr anschaulich, wie er tägliche Aufgaben, die ihn unnötig beschäftigen, an indische Dienstleister delegiert und mittels Fokussierung auf die entscheidenden Dinge in seinem Job, Freizeit gewinnt. Zudem automatisiert er die Prozesse seines Unternehmens weitest möglich und kommuniziert mit seinem Team vornehmlich via E-Mail oder gelegentlich per Telefon anstatt in Persona. Er richtet alles darauf aus, dass seine physische Präsenz für den geschäftlichen Erfolg nicht erforderlich ist.

Digitale Nomaden

In den vergangenen Jahren wurde das von Ferriss beschriebene Konzept weiterentwickelt und gipfelt derzeit in der Form des digitalen Nomadentums. Diesem Trend widmen sich zahlreiche Blogs, Podcasts und Veranstaltungen. So gibt es mehrere jährlich stattfindende Konferenzen wie die DNX (Digital Nomad Expo) oder virtuelle Clubs wie den Citizen Circle. Digitale Nomaden sind Menschen, die ortsunabhängig, zumeist digital über das Internet, arbeiten und währenddessen reisen. Viele von ihnen haben keinen festen Wohnsitz, sondern ziehen mit ihrem Laptop im Gepäck von einem Ort zum nächsten, nicht selten quer über den ganzen Globus.

Ursprünge in den 1970ern

Das Konzept von ortsunabhängiger Arbeit an sich (auch unter dem Namen Telearbeit oder Telecomuting bekannt) reicht in die 1970er Jahre zurück, als sich Jack Nilles, Raketenwissenschaftler bei der US Air Force, mit der Thematik beschäftigte. Nilles verbrachte damals viel Zeit in Staus auf dem Weg zu und von der Arbeit und das gab ihm den Anstoß zu der Überlegung, wie er von zuhause aus arbeiten könnte. Als Pionier in Sachen Telearbeit ist Nilles heute der Meinung, dass in der Vergangenheit zwar gute Fortschritte erzielt wurden, dass die Arbeitswelt jedoch weit hinter ihren Möglichkeiten in Bezug auf Telearbeit zurückbleibe.

“It has always been the case from the very beginning that more people have location independent jobs than managers who will let them do it. So we’re always well below the point where everyone who can do [telework] does.”

Jack Nilles im Interview mit dem BizTech Magazine  im Jahr 2012

Die 1990er: Die Prophezeiung

Im Jahr 1997 veröffentlichten die Autoren Tsugio Makimoto und David Manners ein Buch zum Thema Telearbeit mit dem Namen „Digital Nomad“. Hierin skizzierten sie den Lifestyle des „Mobile Professional“, der durch Einsatz moderner Telekommunikationsmöglichkeiten und Dank einer vernetzten Welt ein „Nomadic Business Life“ leben kann. Sie sahen in der Verbreitung von kleinen und tragbaren technischen Geräten, die sich jedermann leisten kann, den größten Wandel im menschlichen Lebensstil seit 10.000 Jahren. Sie gingen bereits vor mehr als 20 Jahren davon aus, dass bald eine ganz normale Menschheitsfrage sein würde „Am I a Nomad or a Settler?“
In der damaligen Zeit müssen den Lesern die Aussagen der Autoren wie Teile aus „Star Trek“ vorgekommen sein, wenn man bedenkt, dass Faxe und Mobiltelefone, so groß wie Ziegelsteine, als herausragende Innovationen galten. Doch Makimoto und Manners entwickelten den Gedanken weiter und sahen Menschen unabhängig von Büros oder ihrem Zuhause arbeiten. Sie vertraten schon damals die Ansicht, Menschen könnten alle Geräte, die sie zum Arbeiten benötigen, in einer Tasche mit sich tragen und damit beliebig umherziehen.

“Within the next decade, for the first time for 10,000 years, most people will find that the geographic tie is dissolving. It will happen gradually and people will be slow to realise that a revolution is occurring, but by the end of those ten years, most people in the developed world will find themselves free to live where they want and travel as much as they want.”

Stand heute

Ganz so schnell wie die Autoren es vorhergesagt haben ist diese Entwicklung dann doch nicht eingetreten. Obwohl bereits seit längerer Zeit die notwendige Technologie für ortsunabhängiges Arbeiten zur Verfügung steht und heutzutage fast jeder problemlos virtuell mit anderen in Kontakt treten und theoretisch mit ihnen über das Netz kollaborieren kann, blieben Unternehmen lange Zeit skeptisch. Sie befürchteten, dass diese Form der Arbeit zu einem Mangel an Kontrolle und damit einhergehenden Ineffizienzen und Unproduktivität führe.

Ergebnisse einer Gallup Studie

Nur langsam hat sich die Unternehmenswelt der Telearbeit geöffnet. Nicht zuletzt deswegen, weil die derzeit auf den Arbeitsmarkt drängende Generation der Millenials einen selbstbestimmteren Arbeitsalltag fordert. Eine Gallup Studie für den amerikanischen Markt fand 2017 heraus, dass die Anzahl derjenigen, die remote arbeiten, von 39 Prozent im Jahr 2012 um vier Prozentpunkte auf 43 Prozent im Jahr 2016 angestiegen ist. Die Studie stellt die Bedeutung von flexiblen Arbeitsmodellen, sowohl in Bezug auf die Arbeitszeit als auch in Bezug auf den Arbeitsort heraus. So können sich beispielsweise 37 Prozent der Befragten vorstellen, ihren Job zu wechseln, sollten sie eine Alternative angeboten bekommen, bei der sie nicht permanent im Büro sein müssen. Fast jeder zweite Millenial (47 Prozent) möchte sich aussuchen, wann und wo er arbeitet, verglichen mit 31 Prozent der Arbeitnehmer aus der Generation X und den Baby Boomern.

Ortsunabhängiges Arbeiten per Gesetz in den Niederlanden

Einige Länder begegnen dem Wunsch nach mehr Flexibilität im Arbeitsleben offensiv und führen Gesetze für Telearbeit ein. Ganz vorne mit dabei sind die Niederlande, in denen es ein gesetzlich verankertes Recht auf ortsunabhängiges Arbeiten gibt. Seit dem 1. Januar 2016 darf in den Niederlanden jeder, wann immer er möchte, von zu Hause aus arbeiten. Es bedarf zwar der vorherigen Abstimmung mit dem Arbeitgeber, jedoch ist es nicht so, dass ein Arbeitnehmer den Arbeitgeber um Erlaubnis fragen muss. Vielmehr verfügt der Arbeitgeber lediglich über ein Vetorecht, das er nutzen kann, wenn die Nichtanwesenheit eines Angestellten einen negativen Effekt auf das Geschäft hat. Gemeint sind damit schwere Sicherheitsrisiken, unlösbare Probleme in der Dienstplanung oder untragbare finanzielle Schäden. In diesen Fällen kann der Arbeitgeber dem Angestellten die Heimarbeit verwehren. Allerdings muss er die genannten Auswirkungen glaubhaft nachweisen. Vermeintliche Ängste der Arbeitgeber, dass Remote-Arbeit zu Ineffektivität und Prokrastination führe, haben sich in den Niederlanden NICHT bestätigt. Ganz im Gegenteil. Man fand heraus, dass Telearbeiter mindestens genauso produktiv wie ihre büro-ansässigen Kollegen sind, in vielen Fällen sogar produktiver.

... und in Deutschland?

Anfang Mai 2018 forderte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), ein Recht auf Arbeit von zuhause für Angestellte. Der DGB begründet seine Forderung damit, dass die Arbeitswelt immer flexibler und digitaler werde und sich viele Arbeiten problemlos außerhalb des Büros erledigen ließen.

Trend für ortsunabhängiges Arbeiten

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ortsunabhängiges Arbeiten weltweit auf dem Vormarsch und nicht bloß eine kurzfristige Trenderscheinung ist. Dies gilt sowohl für Selbstständige als auch für Unternehmen und Beschäftigte. Laut einem Artikel der Wirtschaftswoche wünschen sich mehr als ein Drittel der Arbeitnehmer die Möglichkeit vom Home-Office aus zu arbeiten. Der Artikel verweist z. B. darauf, dass Japan mit Blick auf die Olympischen Spiele 2020 zunehmend Telearbeit einführt, um das Verkehrssystem zu entlasten. In den skandinavischen Ländern, in Luxemburg und der Schweiz arbeitet aktuell schon jeder Fünfte von zuhause aus. Deutschland liegt im Vergleich noch immer im Rückstand, jedoch mit positiver Tendenz. Im Mai 2017 arbeiteten 9 Prozent der Beschäftigten remote.

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